USA – Warum dieses Land?

Warum die USA?

Warum bin ich so amerikaphil? Warum stehe ich so auf die Staaten? Eine einfache Antwort gibt es da nicht.

Ich glaube, dass eine gewisse Affinität vorprogrammiert war. Ich bin im Jahr 1974 geboren, habe meine Jugend also in den Achtzigern und Neunzigern verlebt. Hier nicht mit den kulturellen Erzeugnissen der USA in Kontakt zu treten – Hollywood, Fernsehserien, Musik, Comics – ist doch schon nahezu unmöglich. Natürlich wurde ich geprägt von Sylvester Stallone, Arnold Schwarzenegger und Chuck Norris. Auch von Dan Aykroyd, Chevy Chase, Bill Murray. Und Lee Majors. Burt Reynolds. Micheal J. Fox.
Alf.

Das virtuelle Leben meiner Jugend fand vor allem in den USA statt: ich bin mit Colt Seavers und Julia Roberst durch Los Angeles gefahren. Zusammen mit den Ghostbusters habe ich New York gerettet, durch das ich zuvor Michael J. Fox auf dem Weg zum Erfolg begleitet habe. Harry und Sally haben mir so viele Sehenswürdigkeiten dort gezeigt, dass ich am Ende Woody Allen gar nicht mehr gebraucht hätte. Und „The Day After“, so dystopisch der Film auch ist, hat mir eine Vorstellung vom Mittleren Westen vermittelt und meinen Vater schwer verwirrt, als ich bei einer Fahrt durch das Münsterland beiläufig meinte, dass es hier aussieht wie in Kansas.

Ich bin schon fast im ganzen Land gewesen, ohne jemals ein Flugzeug oder Schiff betreten zu haben.

Die echte Reise in die USA war in den Achtzigern noch eine Weltreise. Und entsprechend teuer. So planten Papa und ich, nach meinem Abitur in die Staaten zu fliegen und dann eine Reise mit dem Greyhoundbus zu tätigen. Und fliegen wollten wir mit der Concorde. Heute kostet so ein Busticket von New York nach Los Angeles, Ostküste zur Westküste, rund dreihundert Dollar pro Person. Das ist kaum ein Preis. Das dürfte Anfang der Neunziger Jahre noch anders gewesen sein. Und: Die weltpolitische Lage hat ihr Übriges getan: wegen des Zweiten Golfkrieges haben wir Abstand davon genommen, mich ein Jahr lang in die USA zu schicken. Zu unsicher erschien es uns, ein Flugzeug in die Staaten zu besteigen. Was mir also blieb: Imagination.

Nun war ich als Kind immer schon kreativ und hatte viel Phantasie. Ich träumte mich hinfort zu Orten, deren Namen mir eine vermeintliche Vorstellung vermittelte, wie es dort wohl aussieht. Zum Beispiel Kalifornien: Nadelwälder, Berge, Küste, Palmen. Diese Vorstellung wurde präsentiert von Pretty Woman, ein Colt für alle Fälle und den drei Fragezeichen. Und dann gab es ja noch Computerspiele: Sid Meier’s Railroad Tycoon ließ mich, Anfang der Neunziger Jahre, ein Eisenbahnnetz in den USA aufbauen. Nicht nur, dass ich das Spiel an sich liebte, ich lernte auch viel Geografie. Nashville und Evansville in Tennessee war mein bevorzugter Startpunkt. Ich wusste später, wo Memphis liegt, New Orleans, Atlanta und St. Louis.

Damit war meine Wissbegierigkeit vollends geweckt und ein Besuch in der damaligen Remscheider Bücherstube „Montanus Aktuell“ im Allee-Center brachte Genugtuung: zwei Straßenatlanten „USA East“ und „USA West“, gab es da im Sonderangebot. Da habe ich zugeschlagen und mich fortan in meinem Kinderzimmer zu den vielen wundervoll klingenden Orten hinweggeträumt: Silver Springs. Aspen. Wilmington. Billings. So wurden die USA erst vollends zu einem Sehnsuchtsland. Und sind es bis heute.

Und wie ist es wirklich?

Inzwischen bin ich viele Male in den USA gewesen und konnte mir ein Bild davon machen, wie es nun wirklich da aussieht. Natürlich sind Imaginationen aus Kindertagen vor allem Idealbilder, die der Phantasie entspringen. Jedoch: so manche meine Vorstellungen fand ich bestätigt. So habe ich auf meinen Reisen sehr viele sehr freundliche Menschen kennen gelernt. Auch habe ich Orte gesehen, die so tatsächlich meiner Vorstellung entsprachen. Hier sei auch gesagt, dass es durchaus gefährlich war, dorthin zu reisen, denn die Enttäuschung der Realität war jederzeit im Rahmen des Möglichen. Aber ich hatte Glück. Und eigentlich ist es kein Glück. Es ist die Kunst, sich auf etwas einzulassen. Offenen Herzens an Menschen und Orte heranzugehen und sich ein Bild zu machen. Was ich fand, war Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft, Interesse. Natürlich auch heruntergekommene Orte, Armut, Ungerechtigkeit. Aber insgesamt fühle ich mich in den Staaten wohl. Meine Kindheitsträume haben mich nicht enttäuscht.